Sunday, 2 April 2017

Die Epizykeltheorie - wie sie funktionieren sollte, aber leider nicht tut

Wenn die Erde in der Mitte des Universums wäre und der Mars sie einfach umkreisen würde, dann würde er über die Monate hinweg einfach gleichmäßig an den Sternbildern vorbeiziehen, und es gäbe keine Rückwärtsbewegung (der Fachausdruck dafür ist übrigens "retrograde Bewegung", damit ich das auch noch erwähne). So einfach wie im folgenden Diagramm kann es also nicht sein:
(Klick auf meine Zeichnungen öffnet wieder etwas größere Darstellungen)


Dieses Problem repariert nun das – eigentlich schon geniale und erst 1500 Jahre später als falsch erwiesene – Konzept, das Ptolemäus in seinem Handbuch beschreibt (ob es von ihm selbst ist, ist nicht klar; vermutlich kam die Idee schon früher auf):

Man lässt nicht den Planeten selbst im Kreis laufen, sondern einen weiteren Kreis, auf dem dann der Planet – etwa der Mars – sich bewegt. Hier ist einmal eine Zeichnung nur vom "fahrenden Kreis", dem "Epizykel". Sein Mittelpunkt (der kleine Kringel) bewegt sich gleichmäßig auf dem strichlierten Kreis im Uhrzeigersinn um die Erde, also den (angenommenen) Mittelpunkt des Universums:


Auf dem Epizykel läuft nun mit einer anderen Geschwindigkeit der Mars in der Gegenrichtung um. Die Position des Mars und damit seine sichtbare Richtung ist damit die Summe aus zwei Kreisbewegungen, und damit kriegt man ganz gut die Schleifenbewegung am Himmel hin. Man kann damit die "Heiligkeit der Kreise" erhalten, aber trotzdem die Hin- und Herbewegung der Planeten halbwegs erklären. Hier ist ein Bild, dass das versucht:


  • In der ersten Stellung des Epizykels befindet sich der Mars von der Erde aus gesehen in gerader Verlängerung hinter dessen Mittelpnkt (bei dem kleinen o) und ist damit im Krebs sichtbar.
  • Drei Monate später hat sich der Epizykel um 45° weiterbewegt; aber zugleich hat sich der Mars auf dem Epizykel in der Gegenrichtung bewegt (der dunkle Pfeil am Epizykel), und daher steht der Mars nun nur ein kleines Stück weiter.
  • Nach 6 Monaten ist Epizykel wieder 45° weiter, aber der Mars beginnt nun auf seiner "Unterseite" sich in die gleiche Richtung zu bewegen. Daher sieht es so aus, als würde er beschleunigen – wie auch bei der richtigen Erklärung.
  • Bei 9 Monaten ist der Mars schon viel weiter fast am Widder vorbei.
Die eigentliche Schleife nach 1 1/2 Monaten habe ich in dem Bild unterschlagen – erstens, weil es dann vor lauter Kreisen nur so wimmeln würde; aber zweitens auch, weil ich eine wirklich korrekte Beschreibung der Planetenbahn damit nicht hinbekommen habe. Und das ist auch Problem der Epizykel-Theorie: Je genauer man die Planetenbahnen vermisst, desto mehr merkt man, dass man die Kreiskonstruktion nicht so hinbekommt, dass sie genau die reale Bewegung beschreibt.

Man hat das, rund um Galileis Zeiten, mit noch komplizierteren Konstruktionen zu "reparieren" versucht. Zum Beispiel gab es Vorschläge, wo sich auf dem Epizykel nicht der Planet, sondern ein weiterer Epizykel bewegte – also drei "gestaffelte Kreise". Die Bestimmung der Radien und der Geschwindigkeiten der Kreise, damit alles stimmt, wird dann zu einem ziemlich mörderischen mathematischen Problem. Trotzdem muss man feststellen, dass zum Beispiel der geniale Galilei selbst nie die kreisförmige Bewegung bezweifelt hat und die (korrekten) keplerschen Ellipsen ablehnte. Kreise wirken auf uns Menschen offenbar so "schön" und "elegant" (und "göttlich"?), dass wir sie auch in der Natur unbedingt wiederfinden wollen.

Als zu Keplers Zeiten dann aber mit Fernrohren (Kepler und Galilei haben zu ihrer Entwicklung beigetragen) und immer genaueren feinmechanischen Messinstrumenten (die auch aufgrund der Fortschritte im Bau von Uhren möglich wurden) die Bestimmung der Planetenpositionen immer präziser wurde, konnte man die Abweichungen zur Epizykeltheorie nicht mehr länger "zukleistern"; und mit den Keplerschen Gesetzen (und dann 70 Jahre später ihrer Verallgemeinerung durch Isaac Newton) stand eine perfekte Theorie der Planetenbahnen zur Verfügung, die die ältere Theorie dann sozusagen umbrachte.

Dass sich die katholische Kirche (und nicht nur sie) noch lange Zeit dagegen gewehrt hat, die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums zu verbannen, hat die Astronomen nicht mehr interessiert. Viele anderen aber taten – und tun – sich wohl sehr schwer damit, dass der "Planet des Menschen" diese Mitte verlassen musste und er und damit wir alle "nur ein Staubkorn im Universum" sind: Das ist ja diese grundsätzliche "kopernikanische Wende", die sich da zu Beginn der Neuzeit abspielt. Und umgekehrt gesehen bedeutet das, dass sich die Philosophie und Wissenschaft bis dorthin eben doch (auch) dadurch charakterisieren lässt, dass der Mensch unhinterfragt immer im Mittelpunkt stand.

Ein letztes Mal musste übrigens auch die bessere, kepler'sche oder newton'sche Theorie korrigiert werden, als 1915 Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie eine minimal andere Bewegung der Planeten berechnen konnte, die die – damals messbaren – kleinen Abweichungen der realen Plantenbewegung gegenüber Newtons Vorhersagen auch erklären konnte. Seither ist das Thema der Planetenbewegung kein Streitfall mehr.

Ach ja – was hat Johannes Paul II. in der geschichtlichen Übersicht ganz am Anfang verloren? Nun, er hat immerhin die Kommission der katholischen Kirche einberufen, die nach 400 Jahren die Verurteilung Galileis als Fehlurteil anerkannt kann. Auch ein (kleiner) Fortschritt.

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