Friday 5 May 2017

Never attribute to malice that which is adequately explained by stupidity, globally

(see Hanlon's razor).

It would be more or less great if climate change and bee dying were caused by malicious coal and pharma bosses who, Darth Vader-like, want to rule the world.

But then they would, in their intelligent malice, understand that are subverting their goals by killing off exactly the world they want to rule—if not for themselves, then for their children.

But they don't see it.

And my day-to-day experience with people has convinced me that even those who can and do think rationally in their selected field of expertise more or less completely fall back to their emotional instincts everywhere else—and this means stupidity.

What makes it even worse is that they themselves, by understanding their expertise, and by being praised by others, believe that they are rational over the "whole problem spectrum", so they are unable to become humble (which may be an example of Dunning-Kruger).

And therefore, they continue in their stupidity, which takes the world to be stable and unchanging everywhere, except where they intend to reshape it. But actually, they reshape all of our planet. And don't understand it. And will not understand it even when it crashes around them and on them and below them.

So, goodbye world.

Sunday 2 April 2017

Die Epizykeltheorie - wie sie funktionieren sollte, aber leider nicht tut

Wenn die Erde in der Mitte des Universums wäre und der Mars sie einfach umkreisen würde, dann würde er über die Monate hinweg einfach gleichmäßig an den Sternbildern vorbeiziehen, und es gäbe keine Rückwärtsbewegung (der Fachausdruck dafür ist übrigens "retrograde Bewegung", damit ich das auch noch erwähne). So einfach wie im folgenden Diagramm kann es also nicht sein:
(Klick auf meine Zeichnungen öffnet wieder etwas größere Darstellungen)


Dieses Problem repariert nun das – eigentlich schon geniale und erst 1500 Jahre später als falsch erwiesene – Konzept, das Ptolemäus in seinem Handbuch beschreibt (ob es von ihm selbst ist, ist nicht klar; vermutlich kam die Idee schon früher auf):

Man lässt nicht den Planeten selbst im Kreis laufen, sondern einen weiteren Kreis, auf dem dann der Planet – etwa der Mars – sich bewegt. Hier ist einmal eine Zeichnung nur vom "fahrenden Kreis", dem "Epizykel". Sein Mittelpunkt (der kleine Kringel) bewegt sich gleichmäßig auf dem strichlierten Kreis im Uhrzeigersinn um die Erde, also den (angenommenen) Mittelpunkt des Universums:


Auf dem Epizykel läuft nun mit einer anderen Geschwindigkeit der Mars in der Gegenrichtung um. Die Position des Mars und damit seine sichtbare Richtung ist damit die Summe aus zwei Kreisbewegungen, und damit kriegt man ganz gut die Schleifenbewegung am Himmel hin. Man kann damit die "Heiligkeit der Kreise" erhalten, aber trotzdem die Hin- und Herbewegung der Planeten halbwegs erklären. Hier ist ein Bild, dass das versucht:


  • In der ersten Stellung des Epizykels befindet sich der Mars von der Erde aus gesehen in gerader Verlängerung hinter dessen Mittelpnkt (bei dem kleinen o) und ist damit im Krebs sichtbar.
  • Drei Monate später hat sich der Epizykel um 45° weiterbewegt; aber zugleich hat sich der Mars auf dem Epizykel in der Gegenrichtung bewegt (der dunkle Pfeil am Epizykel), und daher steht der Mars nun nur ein kleines Stück weiter.
  • Nach 6 Monaten ist Epizykel wieder 45° weiter, aber der Mars beginnt nun auf seiner "Unterseite" sich in die gleiche Richtung zu bewegen. Daher sieht es so aus, als würde er beschleunigen – wie auch bei der richtigen Erklärung.
  • Bei 9 Monaten ist der Mars schon viel weiter fast am Widder vorbei.
Die eigentliche Schleife nach 1 1/2 Monaten habe ich in dem Bild unterschlagen – erstens, weil es dann vor lauter Kreisen nur so wimmeln würde; aber zweitens auch, weil ich eine wirklich korrekte Beschreibung der Planetenbahn damit nicht hinbekommen habe. Und das ist auch Problem der Epizykel-Theorie: Je genauer man die Planetenbahnen vermisst, desto mehr merkt man, dass man die Kreiskonstruktion nicht so hinbekommt, dass sie genau die reale Bewegung beschreibt.

Man hat das, rund um Galileis Zeiten, mit noch komplizierteren Konstruktionen zu "reparieren" versucht. Zum Beispiel gab es Vorschläge, wo sich auf dem Epizykel nicht der Planet, sondern ein weiterer Epizykel bewegte – also drei "gestaffelte Kreise". Die Bestimmung der Radien und der Geschwindigkeiten der Kreise, damit alles stimmt, wird dann zu einem ziemlich mörderischen mathematischen Problem. Trotzdem muss man feststellen, dass zum Beispiel der geniale Galilei selbst nie die kreisförmige Bewegung bezweifelt hat und die (korrekten) keplerschen Ellipsen ablehnte. Kreise wirken auf uns Menschen offenbar so "schön" und "elegant" (und "göttlich"?), dass wir sie auch in der Natur unbedingt wiederfinden wollen.

Als zu Keplers Zeiten dann aber mit Fernrohren (Kepler und Galilei haben zu ihrer Entwicklung beigetragen) und immer genaueren feinmechanischen Messinstrumenten (die auch aufgrund der Fortschritte im Bau von Uhren möglich wurden) die Bestimmung der Planetenpositionen immer präziser wurde, konnte man die Abweichungen zur Epizykeltheorie nicht mehr länger "zukleistern"; und mit den Keplerschen Gesetzen (und dann 70 Jahre später ihrer Verallgemeinerung durch Isaac Newton) stand eine perfekte Theorie der Planetenbahnen zur Verfügung, die die ältere Theorie dann sozusagen umbrachte.

Dass sich die katholische Kirche (und nicht nur sie) noch lange Zeit dagegen gewehrt hat, die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums zu verbannen, hat die Astronomen nicht mehr interessiert. Viele anderen aber taten – und tun – sich wohl sehr schwer damit, dass der "Planet des Menschen" diese Mitte verlassen musste und er und damit wir alle "nur ein Staubkorn im Universum" sind: Das ist ja diese grundsätzliche "kopernikanische Wende", die sich da zu Beginn der Neuzeit abspielt. Und umgekehrt gesehen bedeutet das, dass sich die Philosophie und Wissenschaft bis dorthin eben doch (auch) dadurch charakterisieren lässt, dass der Mensch unhinterfragt immer im Mittelpunkt stand.

Ein letztes Mal musste übrigens auch die bessere, kepler'sche oder newton'sche Theorie korrigiert werden, als 1915 Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie eine minimal andere Bewegung der Planeten berechnen konnte, die die – damals messbaren – kleinen Abweichungen der realen Plantenbewegung gegenüber Newtons Vorhersagen auch erklären konnte. Seither ist das Thema der Planetenbewegung kein Streitfall mehr.

Ach ja – was hat Johannes Paul II. in der geschichtlichen Übersicht ganz am Anfang verloren? Nun, er hat immerhin die Kommission der katholischen Kirche einberufen, die nach 400 Jahren die Verurteilung Galileis als Fehlurteil anerkannt kann. Auch ein (kleiner) Fortschritt.

Das Problem, das die Epizykeltheorie lösen will

Planeten


Wenn man den Himmel betrachtet, dann sieht man Sternbilder: Das bedeutet, dass die Sterne relativ zueinander "festgenagelt" sind. Nun dreht sich zwar der ganze Himmel um die Erde (oder, wie wir's heute sehen, die Erde um sich), insoferne sind die Sterne nicht "fest". Aber sie bleiben zueinander fix, wie auf ein Gemälde gemalt.

Aber ganz stimmt das nicht: Es gibt nämlich (genau) sieben Ausnahmen, die man mit freiem Auge sehen kann (wenn man von scheinbar oder tatsächlich zufälligen Ereignissen wie Kometen, aber auch Sternschnuppen absieht).
  • Die bekannteste davon ist der Mond – er steht jeden Tag (oder eigentlich jede Nacht) "woanders" auf dem Gemälde.
  • Eine zweite ist die Sonne – die ist zwar so hell, dass sie alle Sterne überstrahlt, insofern kann man nicht sehen, dass sie sich gegen die Sterne bewegt. Aber wenn man in der Morgendämmerung schaut, wo die Sternbilder stehen, und das zur aufgehenden Sonne in Beziehung setzt, dann sieht man, dass die Sonne da auch jeden Tag woanders ist; immer nach einem ganzen Jahr ist sie allerdings wieder an derselben Stelle des Sternenhimmels.
  • Und dann gibt es noch fünf Sterne, die uns (oder unseren Vorfahren, die sich dafür interessiert haben), Kopfzerbrechen machten, weil sie nicht wie die Tausenden anderen Sterne fest am Himmelsgemälde blieben, sondern sich darin herumbewegten: Auch so langsam wie die Sonne oder noch etwas langsamer, sodass es ein oder mehrere Jahre brauchte, bis sie wieder an derselben Stelle waren.
Diese sieben Himmelskörper nannte man "Planeten" (von griechisch planaomai, was ungefähr "herumschweifen" bedeutet – habe ich nachgeschaut), und die fünf davon, die Sterne waren, bekamen die Namen Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn – wobei man nur die mittleren drei deutlich und hell sieht. Warum diese fünf Sterne so "herumfuhren", das haben sich manche Leute gefragt.
(Anmerkung: Heute zählt man Sonne und Mond nicht mehr zu den Planeten – da hat sich der Sprachgebrauch geändert).

Ich erkläre das nun in historisch verkehrter Reihenfolge: Also zuerst "richtig" – so wir heute das verstehen. Das ist auch schon etwas vertrackt, aber nur so kann man es überhaupt verstehen. Danach erkläre ich dann, was sich Ptolemäus ausgedacht hat – eben die Epizykeltheorie.

Die Schleifenbewegung


Zuerst einmal habe ich – siehe das nächste Bild – die Bahn des Mars aufgezeichnet, wie sie in irgendeinem Jahr aussehen könnte. Der Mars zieht hier an vier Sternbildern vorbei, die sich über dem Erdäquator befinden, sodass man sie bei uns nur im Sommer ziemlich im Süden sehen kann: Krebs, Zwillinge, Stier und Widder. Der schwarze Kreis ist der Mars, und neben den eingezeichneten Positionen steht die Zeit in Monaten: Zu irgendeinem Zeitpunkt (bei 0 Mo) steht er also zwischen Krebs und Zwillingen, dann geht er ein wenig in die Zwillinge hinein, ist nach drei Monaten (bei 3 Mo) wieder fast zurück, fährt dann in den Krebs, ist dann wieder zwischen den beiden, und dann gibt er plötzlich Gas und fährt immer schneller über Stier (7 1/2 Mo) zu Widder und weiter. Es dauert dann ungefähr noch ein Jahr (also insgesamt etwa zwei Jahre), und dann ist er wieder in der Krebs-Gegend. Ziemlich komisch, das Ganze, oder?
Oben über der Zeichnung sind noch Gradzahlen angegeben, die die Position am Himmel anzeigen: Wenn wir also zum Beispiel den Krebs gerade genau im Süden sehen, dann ist der Widder um 90° versetzt dazu, also grade am Horizont zu erkennen.
(Ein Klick auf die Zeichnung öffnet eine größere Version davon, zum Abspeichern oder zumindest genauerem Studieren)


(Mir fällt grad auf, dass es sein könnte, dass ich mich in der Richtung vertan habe und der Mars sich in umgekehrter Richtung bewegt und/oder die Sternbilder umgekehrt sortiert sind... dann tut's mir leid, und ihr müsst euch denken, dass die Sternbilder oben umgekehrt angeordnet sind). Dass der Mars hier eine richtige Schleife macht, also nicht nur hin und her, sondern auch ein wenig auf und ab geht, interessiert uns hier übrigens nicht: Das hat seinen Grund nur darin, dass Erdbahn und Marsbahn ein wenig schief zueinanderliegen. Was aber jede Theorie der Planetenbewegung sauber erklären muss – sei's die moderne, sei's die Epizykeltheorie –, ist eben dieses ziemlich weite Hin- und Herfahren zwischen den Sternbildern.

Die richtige Erklärung


Was passiert da? Hier ist eine Zeichnung, die dieses Phänomen erklären soll – die Details kommen gleich drunter im Text:
(Wieder kann man auf die Zeichnung für eine größere Darstellung draufklicken)


Zur Erkärung: Unten in der Zeichnung sehen wir das Sonnensystem, von oben betrachtet:
  • In der Mitte ist die Sonne,
  • die Erde dreht sich um sie im Kreis
  • und ein Stück weiter außen der Mars.
Die Distanzverhältnisse sind übrigens ziemlich korrekt abgebildet: Der Mars ist etwa 50% weiter von der Sonne als die Erde.
Ganz weit weg ist oben noch die "Himmelskugel" abgebildet, auf der sich die Sternbilder mit ihren Sternen befinden – die sind natürlich in Wirklichkeit nicht "auf der Himmelskugel", sondern im ganzen Weltall verteilt; aber sie sind alle so weit weg, dass ihre Distanzunterschiede vollkommen egal sind.

Bei Erde und Mars ist nun ihre Bewegung eingezeichnet:
  • Die Erde lasse ich im "Monat 0" links "losfahren", und weil sie ja in einem Jahr, also 12 Monaten einmal um die Sonne läuft, ist sie nach 1 1/2 Monaten um 45° weiter auf ihrem Kreis; nach drei Monaten um 90° weiter; nach 6 Monaten um 180° weiter; usw.usf.
  • Den Mars lasse ich (einfach so – ist halt zufällig grad so – nein, habe ich mir aus Zeichnungsgründen so ausgesucht) links oben losfahren. Nun braucht der Mars aber fast zwei Jahre um die Sonne (das ergibt aus dem 3. Keplerschen Gesetz – erkläre ich hier nicht), daher ist er nach 1 1/2 Monaten nicht um 45° weiter, sondern nur um die Hälfte. Und erst nach 3 Monaten hat er die 45° geschafft, nach 6 Monaten ist er um 90° weiter – also nun "rechts oben" usw.usf.
(Das muss einem unbedingt klar sein – sonst versteht man den Rest nicht ... ist es klar? Wenn nicht, nocheinmal Zeichnung anschauen und Text lesen!).

Und nun stellen wir uns "oben" auf unsere kleine Erde und schauen zum Mars. Wo sehen wir ihn?
  • Zum Zeitpunkt 0, also dem Beginn unserer Beobachtung, steht er vor den Sternen des Krebs – am Himmel, wo wir mit freiem Auge keine Distanzen schätzen können, steht er also "im Krebs".
  • 1 1/2 Monate später hat er sich ein Stück weiterbewegt, bis zu dem ersten Querstrich; und die Erde "läuft ihm auf ihrem Kreis hinterher". Wenn man sich wieder ansieht, wo man ihn nun jetzt sieht, dann steht er ein Stück weiter, nämlich links vor den Zwillingen; oder am Himmel eben "in den Zwillingen".
  • Noch eineinhalb Monate später, also nach 3 Monaten "überholt" ihn nun aber die Erde – nicht, weil sie schneller wird, sondern einfach, weil sie auf ihrem kleineren Kreis eben "enger um die Kurve flitzt". Wenn man wieder die Richtung von Erde (wir) zu Mars einzeichnet, dann zeigt sie nun zwischen Krebs und Zwillinge – der Mars hat sich also am Himmel scheinbar von den Zwillingen aus zurückbewegt! – da haben wir schon das Schleifenphänomen! Aber weiter:
  • Nach 4 1/2 Monaten hat ihn die Erde noch ein Stück weiter überholt, und der Pfeil Erde→Mars zeigt nun fast parallel zu dem Sichtpfeil zum Zeitpunkt 0. Der Mars ist nun also wieder vor dem Krebs zu sehen.
  • Nach 6 Monaten "biegt" die Erde nun aber schon stark "nach unten" ab, und der Mars kann sie nun seinerseits "überholen": Der Pfeil Erde→Mars zeigt nun schon eher rechts in die Zwillinge, der Mars ist also "an den Zwillingen vorbei".
  • Und nach 7 1/2 Monaten bewegt sich die Erde schon im unteren Teil ihres Kreises nach links, während der Mars noch auf seiner Kreis-Reise nach rechts ist: Die Sichtlinie von der Erde zum Mars zeigt nun schon zum Stier, der Mars "steht im Stier".
  • Noch eineinhalb Monate später, also nach 9 Monaten, ist die Erde ganz unten, der Mars ganz rechts, und die Sichtlinie zeigt in den Widder.
  • usw.usf.
Man sieht also, dass die "komische Schleifenbewegung" des Mars aus dem Zusammenwirken der zwei ganz einfachen Kreisbewegungen von Erde und Mars samt der Distanz zwischen ihnen entsteht – eigentlich nicht schwierig, aber man muss eben diese Sicht auf die Dinge haben; und sich das schon einmal im Detail genau überlegen (die Zeichnung hat mich fast eine Stunde gekostet, bis das alles so ungefähr dort war, wo es sein sollte).

So ist das also mit der richtigen Erklärung der Marsbewegung – und die anderen Planeten machen es ebenso, nur mit anderen Umlaufzeiten und Abständen.

Was aber dachte sich Ptolemäus – und musste sich denken, weil er die Erde partout im Mittelpunkt des Universums ansiedeln wollte? Dazu mehr im nächsten (und letzten) Posting zu diesem Thema!

Die Epizykeltheorie des Ptolemäus - (m)ein Überblick

An der Epizykeltheorie lässt sich, wenn man so will, "Aufstieg und Fall der ganzen Menschheit" erklären – weil man daran ganz wichtige Aspekte unseres Umgehens mit Problemen sieht. Ok, das mag jetzt übertrieben sein: Aber einiges an Wahrheit steckt schon darin. Bevor ich (hoffentlich verständlich) zu erklären versuche, was die Epizykeltheorie ist, will ich sie daher in den "ganz großen historischen Kontext" einbetten.

Noch eine Vorbemerkung: Alles, was ich erkläre, ist faktisch ziemlich sicher ziemlich richtig – dazu habe ich in den letzen 40 Jahren genügend darüber gelesen (allerdings finde ich heute die Literatur, wo das alles drinsteht, nicht mehr in unseren Büchermassen). Andererseits ist das natürlich alles meine Strukturierung der und Sicht auf die Zusammenhänge – und da kann (und sollte) man sicher viel daran aussetzen, vor allem wenn's um Geschichtliches geht.

Aber fangen wir an. Hier ist ein handgeschriebener Überblick über die Zeiten (links), Personen (Mitte) und die Themen (rechts), die die Epizykeltheorie auf die eine oder andere Art verknüpft:


Die erste Geburt der Naturwissenschaften ...


Auf den ersten Blick fällt auf, dass sich die Zeiten in zwei Bereichen "zusammenballen": Einmal, etwas weniger im Altertum von 350 v.Chr. bis 150 n.Chr.; und dann wieder, viel extremer, von 1540 bis 1700. Diese beiden historischen Abschnitte sind, aus unserer Sicht von "hinten", die zwei "Geburtsstunden der (Natur-)Wissenschaft": Einmal gab im hellenistischen Bereich offenbar das erste Mal eine kritische Menge von Personen (wenn auch verteilt über ein paar Jahrhunderte), die grundlegend die "Probleme der Welt" angehen und lösen wollen – "alles" will man verstehen, nichts soll "einfach so hingenommen werden". Die Zahl der Themen, die man (z.B. Aristoteles) damit aufreißt, ist enorm: Das Leben will man verstehen, das Universum, die Menschen, die Geschichte, wie und wieso sich alles bewegt, die Vielfalt von allem, aber auch wieso manches so gleich ist, und wie das alles mit den überkommenen Vorstellungen von Göttern und Ahnen zusammenhängt. Und weil Menschen damals genauso intelligent wie heute waren, wurden von diesen ersten "systematisch neugierigen Menschen" – was man heute "Wissenschaftler" nennen würde – unzählige Erkenntnisse gewonnen, und unzählige davon waren richtig. Ich kenne mich nur halbwegs in der Astronomie und Physik aus – aber damals wurde z.B. der Erdumfang i.w. korrekt berechnet oder auch die Mindestgröße von Mond und Sonne (allerdings war die Sonnengröße um einen Faktor von 20 zu klein – aber es war ja eine Mindestabschätzung, insofern war das Ergebnis völlig korrekt), und es gab einzelne (Aristarchos und Seleukos), die erklären konnten, wieso höchstwahrscheinlich die Erde um die Sonne kreist und nicht – wie es für uns auf der Erde aussieht – umgekehrt. Das Letztere war allerdings doch so vage argumentiert, dass praktisch alle anderen, die das interessiert hat, sich dagegen aussprachen, und so blieb allgemein – eben auch in Wissenschaftskreisen – die "vernünftig-normale Annahme" akzeptiert, dass Sonne und Mond und Sterne um die Erde kreisen. Deswegen habe ich die zwei auch nur klein hingeschrieben.

Noch was ist wichtig, damals und später: Die "Wirkungsgeschichte" von Personen und ihren Ideen hängt mit der Art der Verbreitung zusammen: Es ist halt so, dass im Großen und Ganzen die, die viel schreiben, mehr bewirken als die, die nur reden – denn Schriftliches kann man nicht nur zu Lebzeiten des Denkers, sondern auch die Jahrhunderte danach aufnehmen, besprechen und kritisieren. Bei den Personen in meiner Liste habe ich Stifte danebengemalt, wenn sie "unermüdliche Schreiber über vieles waren", insbesondere wenn sie sich als "Enzyklopädisten" verstanden, also als Leute, die "alles und jedes" aufschreiben wollten. Die Enzyklopädien oder Lexika, die auf diese Art entstehen, werden zwar in Fachkreisen gar nicht so schnell als Wahrheit anerkannt – die drei in meiner Liste, insbesondere auch Aristoteles, wurden offenbar über Jahrhunderte hinweg massiv kritisiert: Aber im Lauf der Zeit "gewinnen" solche Werke doch öfter gegen verteilte Einzelveröffentlichungen, weil sie eben so "großmächtig" sind (denke ich mir, in einer Art "Küchenphilosophie der Wirkung").

Speziell hatten die zwei Enzyklopädisten Aristoteles und Ptolemäus im Altertum gar nicht das große Ansehen (Platon wurde im Großen und Ganzen bevorzugt; und Ptolemäus war schon "spät dran" und nur für die naturwissenschaftlichen Spezialgebiete relevant); aber im Spätmittelalter waren sie dann doch groß da.

Bei Aristoteles (und wohl bei anderen) stand nun etwas ganz Wichtiges für die Epizykeltheorie, nämlich: Er machte sich Gedanken (ich möchte nicht sagen "er erdachte Theorien" – dazu ist das ganze zu vage) über Elemente und Bewegung, die sich – in Bezug auf unser Thema – so zusammenfassen lassen:
  • Auf der Erde gibt es vier Elemente, nämlich Feuer, Wasser, Erde und Luft (ja, daher kommt das).
  • Im Himmel aber – und nur dort – gibt es ein eigenes fünftes Element, den "Äther", und der bewegt sich auf Kreisbahnen; "weil der Kreis in seiner überall mit sich selbst gleichen Form die göttlichste Form ist" – nicht wirklich ein Argument, aber wenn man's glauben will ...
Das führte dazu, dass man es als selbstverständlich ansah, dass alle Himmelskörper sich auf Kreisen bewegen müssen (erst Johannes Kepler hat 2000 Jahre später, in einem 20 Jahre langen Nachdenk- und Rechenprozess, diese "Selbstverständlichkeit" über Bord geworfen).
Und Ptolemäus macht sich nun daran, mit Kreisen die Bewegung bestimmter Himmelskörper zu erklären – mehr dazu später im "fachlichen Teil".

... und die zweite (Geburt der Naturwissenschaften)


Historisch ist die Geschichte für uns so interessant, weil ... zuerst einmal nicht viel passiert. Ptolemäus lebt in der hellenistischen späteren Antike und schreibt da seine Enzyklopädie. Im Gegensatz zu dem, was einem in der Schule vermittelt wird, hört die "Zeit der Griechen" nicht mit den Römern auf, sondern die hellenistische Kultur und insbesondere Wissenschaftskultur bleibt rund um das Mittelmeer bis 600 nach Christus und danach, in sozusagen zwiegespaltener Form, im oströmischen Reich und bei den Arabern weiter als eine Art "unsichtbares Fundament" bestehen.

1000 Jahre später allerdings beginnt eine neue Zeit anzubrechen: Irgendwas ist zu der Zeit offenbar in der christlichen Kirche passiert – es setzt eine Art Unruhe ein (oder nimmt zu), in der die Diskussionen über das "Richtige und Wahre" um sich greifen – was einerseits die Debattenkultur anfeuert, aber andererseits dazu führt, dass "endgültige Entscheidungen" fallen: Und eine dieser Entscheidungen ist, dass (damals erst) Aristoteles – mittelbar durch Thomas von Aquin – zum "Fachthemen-Heiligen" der Kirche wird, dem man praktisch wie der Bibel zubilligt, dass er (oder eigentlich das, was von ihm tradiert und interpretiert wurde) nur die Wahrheit spricht. Und wegen dessen "Heiligsprechung des Kreises" – wenn ich das so nennen darf – auf der einen Seite, der selbstverständlichen und noch dazu religiös untermauerten Annahme der Erde im Mittelpunkt des Universums (wieso hätte sonst Gott seinen Sohn ausgerechnet auf die Erde schicken sollen?!) andererseits wird nun indirekt Ptolemäus' Epizykeltheorie "heilig", kann also nicht mehr als eine Theorie mit Alternativen diskutiert werden.

Nur leider – die Epizykeltheorie funktioniert nicht.

Das stellt sich um 1600 heraus, z.B. als Tyho v. Brahe, der etwas jähzornige genialste Astronom seiner Zeit, die Messgenauigkeit von Sternenorten auf die Spitze dessen treibt, was man ohne Fernrohre (die um diese Zeit erst erfunden werden) erreichen kann. In den "Rudolfinischen Tabellen" (so genannt nach Kaiser Rudolf II., der Brahe 1599 als Hofmathematiker nach Prag holte) gab er so genaue Koordinaten insbesondere für die Positionen des Mars an, dass klar wurde, dass die alten Theorien falsch sein mussten. Und weil Kopernikus (ein katholischer Bischof!) das heliozentrische System, wo die Erde um die Sonne kreist, in seiner wichtigsten Schrift "wiedererweckt" hatte, gab es nun eine Alternative zur "heiligen Wahrheit".

Der "Showdown" findet in Italien, zwischen Galilei und der katholischen Kirche statt (wobei der damalige Papst und mehrere Kardinäle in weiten Strecken Galilei de facto unterstützten; aber aus politischen Gründen – nämlich dass eben die Lehre der Kirche nicht angezweifelt werden darf – musste Galilei bestraft werden). Galilei und ein anderer Italiener entdecken übrigens die "Venusphasen" (also dass es "volle", "halbe" und "Neu-Venus" gibt wie beim Mond), was ebenfalls die Epizykeltheorie widerlegt – was den beiden auch vollkommen klar ist; aber das ist ein anderes Thema.

Mit diesen Erkenntnissen bricht nun massiv die "zweite Geburtsstunde der Naturwissenschaft" an: Genauere Beobachtungen und vor allem ein parallel zu erfundener mathematischer Apparat – von Kepler und Galilei auf Basis des alten Griechen Euklid begonnen – führen zum ersten Höhepunkt, der Erklärung aller Bewegungen in der Physik durch Isaac Newton. Danach ist die Menschheit von ihrer Annahme, dass sie alles verstehen und erklären könne, nicht mehr zu heilen: Das industrielle Zeitalter bricht an, in dem mit tatkräftiger Mithilfe der Physik und Mathematik alles unternommen wird, was unternommen werden kann: Von der Synthetisierung von Giftgas über die Produktion hunderter Atombomben, die für eine dutzendfache Vernichtung der Erde reichen, bis zur Umwandlung alles tief in der Erde gespeicherten Kohlenstoffs in atmosphärisches Kohlendioxid zum Zwecke der Urlaubsfliegerei und des Klimaanlagenbetriebs, weil uns die Sonne zu heiß ist – und das alles in solchen megalomanen Umfängen, dass es nun heutzutage die Menschheit und die ganze Erde selbst bedroht. Weit haben wir's gebracht – aber das würde nun ein anderes Thema werden.

Ja, aber ... was ist nun die Epizykeltheorie? Hier geht es weiter.