Sunday 2 April 2017

Das Problem, das die Epizykeltheorie lösen will

Planeten


Wenn man den Himmel betrachtet, dann sieht man Sternbilder: Das bedeutet, dass die Sterne relativ zueinander "festgenagelt" sind. Nun dreht sich zwar der ganze Himmel um die Erde (oder, wie wir's heute sehen, die Erde um sich), insoferne sind die Sterne nicht "fest". Aber sie bleiben zueinander fix, wie auf ein Gemälde gemalt.

Aber ganz stimmt das nicht: Es gibt nämlich (genau) sieben Ausnahmen, die man mit freiem Auge sehen kann (wenn man von scheinbar oder tatsächlich zufälligen Ereignissen wie Kometen, aber auch Sternschnuppen absieht).
  • Die bekannteste davon ist der Mond – er steht jeden Tag (oder eigentlich jede Nacht) "woanders" auf dem Gemälde.
  • Eine zweite ist die Sonne – die ist zwar so hell, dass sie alle Sterne überstrahlt, insofern kann man nicht sehen, dass sie sich gegen die Sterne bewegt. Aber wenn man in der Morgendämmerung schaut, wo die Sternbilder stehen, und das zur aufgehenden Sonne in Beziehung setzt, dann sieht man, dass die Sonne da auch jeden Tag woanders ist; immer nach einem ganzen Jahr ist sie allerdings wieder an derselben Stelle des Sternenhimmels.
  • Und dann gibt es noch fünf Sterne, die uns (oder unseren Vorfahren, die sich dafür interessiert haben), Kopfzerbrechen machten, weil sie nicht wie die Tausenden anderen Sterne fest am Himmelsgemälde blieben, sondern sich darin herumbewegten: Auch so langsam wie die Sonne oder noch etwas langsamer, sodass es ein oder mehrere Jahre brauchte, bis sie wieder an derselben Stelle waren.
Diese sieben Himmelskörper nannte man "Planeten" (von griechisch planaomai, was ungefähr "herumschweifen" bedeutet – habe ich nachgeschaut), und die fünf davon, die Sterne waren, bekamen die Namen Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn – wobei man nur die mittleren drei deutlich und hell sieht. Warum diese fünf Sterne so "herumfuhren", das haben sich manche Leute gefragt.
(Anmerkung: Heute zählt man Sonne und Mond nicht mehr zu den Planeten – da hat sich der Sprachgebrauch geändert).

Ich erkläre das nun in historisch verkehrter Reihenfolge: Also zuerst "richtig" – so wir heute das verstehen. Das ist auch schon etwas vertrackt, aber nur so kann man es überhaupt verstehen. Danach erkläre ich dann, was sich Ptolemäus ausgedacht hat – eben die Epizykeltheorie.

Die Schleifenbewegung


Zuerst einmal habe ich – siehe das nächste Bild – die Bahn des Mars aufgezeichnet, wie sie in irgendeinem Jahr aussehen könnte. Der Mars zieht hier an vier Sternbildern vorbei, die sich über dem Erdäquator befinden, sodass man sie bei uns nur im Sommer ziemlich im Süden sehen kann: Krebs, Zwillinge, Stier und Widder. Der schwarze Kreis ist der Mars, und neben den eingezeichneten Positionen steht die Zeit in Monaten: Zu irgendeinem Zeitpunkt (bei 0 Mo) steht er also zwischen Krebs und Zwillingen, dann geht er ein wenig in die Zwillinge hinein, ist nach drei Monaten (bei 3 Mo) wieder fast zurück, fährt dann in den Krebs, ist dann wieder zwischen den beiden, und dann gibt er plötzlich Gas und fährt immer schneller über Stier (7 1/2 Mo) zu Widder und weiter. Es dauert dann ungefähr noch ein Jahr (also insgesamt etwa zwei Jahre), und dann ist er wieder in der Krebs-Gegend. Ziemlich komisch, das Ganze, oder?
Oben über der Zeichnung sind noch Gradzahlen angegeben, die die Position am Himmel anzeigen: Wenn wir also zum Beispiel den Krebs gerade genau im Süden sehen, dann ist der Widder um 90° versetzt dazu, also grade am Horizont zu erkennen.
(Ein Klick auf die Zeichnung öffnet eine größere Version davon, zum Abspeichern oder zumindest genauerem Studieren)


(Mir fällt grad auf, dass es sein könnte, dass ich mich in der Richtung vertan habe und der Mars sich in umgekehrter Richtung bewegt und/oder die Sternbilder umgekehrt sortiert sind... dann tut's mir leid, und ihr müsst euch denken, dass die Sternbilder oben umgekehrt angeordnet sind). Dass der Mars hier eine richtige Schleife macht, also nicht nur hin und her, sondern auch ein wenig auf und ab geht, interessiert uns hier übrigens nicht: Das hat seinen Grund nur darin, dass Erdbahn und Marsbahn ein wenig schief zueinanderliegen. Was aber jede Theorie der Planetenbewegung sauber erklären muss – sei's die moderne, sei's die Epizykeltheorie –, ist eben dieses ziemlich weite Hin- und Herfahren zwischen den Sternbildern.

Die richtige Erklärung


Was passiert da? Hier ist eine Zeichnung, die dieses Phänomen erklären soll – die Details kommen gleich drunter im Text:
(Wieder kann man auf die Zeichnung für eine größere Darstellung draufklicken)


Zur Erkärung: Unten in der Zeichnung sehen wir das Sonnensystem, von oben betrachtet:
  • In der Mitte ist die Sonne,
  • die Erde dreht sich um sie im Kreis
  • und ein Stück weiter außen der Mars.
Die Distanzverhältnisse sind übrigens ziemlich korrekt abgebildet: Der Mars ist etwa 50% weiter von der Sonne als die Erde.
Ganz weit weg ist oben noch die "Himmelskugel" abgebildet, auf der sich die Sternbilder mit ihren Sternen befinden – die sind natürlich in Wirklichkeit nicht "auf der Himmelskugel", sondern im ganzen Weltall verteilt; aber sie sind alle so weit weg, dass ihre Distanzunterschiede vollkommen egal sind.

Bei Erde und Mars ist nun ihre Bewegung eingezeichnet:
  • Die Erde lasse ich im "Monat 0" links "losfahren", und weil sie ja in einem Jahr, also 12 Monaten einmal um die Sonne läuft, ist sie nach 1 1/2 Monaten um 45° weiter auf ihrem Kreis; nach drei Monaten um 90° weiter; nach 6 Monaten um 180° weiter; usw.usf.
  • Den Mars lasse ich (einfach so – ist halt zufällig grad so – nein, habe ich mir aus Zeichnungsgründen so ausgesucht) links oben losfahren. Nun braucht der Mars aber fast zwei Jahre um die Sonne (das ergibt aus dem 3. Keplerschen Gesetz – erkläre ich hier nicht), daher ist er nach 1 1/2 Monaten nicht um 45° weiter, sondern nur um die Hälfte. Und erst nach 3 Monaten hat er die 45° geschafft, nach 6 Monaten ist er um 90° weiter – also nun "rechts oben" usw.usf.
(Das muss einem unbedingt klar sein – sonst versteht man den Rest nicht ... ist es klar? Wenn nicht, nocheinmal Zeichnung anschauen und Text lesen!).

Und nun stellen wir uns "oben" auf unsere kleine Erde und schauen zum Mars. Wo sehen wir ihn?
  • Zum Zeitpunkt 0, also dem Beginn unserer Beobachtung, steht er vor den Sternen des Krebs – am Himmel, wo wir mit freiem Auge keine Distanzen schätzen können, steht er also "im Krebs".
  • 1 1/2 Monate später hat er sich ein Stück weiterbewegt, bis zu dem ersten Querstrich; und die Erde "läuft ihm auf ihrem Kreis hinterher". Wenn man sich wieder ansieht, wo man ihn nun jetzt sieht, dann steht er ein Stück weiter, nämlich links vor den Zwillingen; oder am Himmel eben "in den Zwillingen".
  • Noch eineinhalb Monate später, also nach 3 Monaten "überholt" ihn nun aber die Erde – nicht, weil sie schneller wird, sondern einfach, weil sie auf ihrem kleineren Kreis eben "enger um die Kurve flitzt". Wenn man wieder die Richtung von Erde (wir) zu Mars einzeichnet, dann zeigt sie nun zwischen Krebs und Zwillinge – der Mars hat sich also am Himmel scheinbar von den Zwillingen aus zurückbewegt! – da haben wir schon das Schleifenphänomen! Aber weiter:
  • Nach 4 1/2 Monaten hat ihn die Erde noch ein Stück weiter überholt, und der Pfeil Erde→Mars zeigt nun fast parallel zu dem Sichtpfeil zum Zeitpunkt 0. Der Mars ist nun also wieder vor dem Krebs zu sehen.
  • Nach 6 Monaten "biegt" die Erde nun aber schon stark "nach unten" ab, und der Mars kann sie nun seinerseits "überholen": Der Pfeil Erde→Mars zeigt nun schon eher rechts in die Zwillinge, der Mars ist also "an den Zwillingen vorbei".
  • Und nach 7 1/2 Monaten bewegt sich die Erde schon im unteren Teil ihres Kreises nach links, während der Mars noch auf seiner Kreis-Reise nach rechts ist: Die Sichtlinie von der Erde zum Mars zeigt nun schon zum Stier, der Mars "steht im Stier".
  • Noch eineinhalb Monate später, also nach 9 Monaten, ist die Erde ganz unten, der Mars ganz rechts, und die Sichtlinie zeigt in den Widder.
  • usw.usf.
Man sieht also, dass die "komische Schleifenbewegung" des Mars aus dem Zusammenwirken der zwei ganz einfachen Kreisbewegungen von Erde und Mars samt der Distanz zwischen ihnen entsteht – eigentlich nicht schwierig, aber man muss eben diese Sicht auf die Dinge haben; und sich das schon einmal im Detail genau überlegen (die Zeichnung hat mich fast eine Stunde gekostet, bis das alles so ungefähr dort war, wo es sein sollte).

So ist das also mit der richtigen Erklärung der Marsbewegung – und die anderen Planeten machen es ebenso, nur mit anderen Umlaufzeiten und Abständen.

Was aber dachte sich Ptolemäus – und musste sich denken, weil er die Erde partout im Mittelpunkt des Universums ansiedeln wollte? Dazu mehr im nächsten (und letzten) Posting zu diesem Thema!

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